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Medealand

von Sara Stridsberg

Deutsch von Jana Hallberg
5D, 2H, 2 Kinder

UA: 21.02.2009, Dramaten, Stockholm
frei zur DSE

Medea ist eine leidenschaftliche, ungestüme Frau, deren Scheitern vorprogrammiert ist. Bei Sara Stridsberg steht sie zwischen allen Liebespolen: der Mutter, die ihre stolze Tochter von Anfang an mit Liebe verwöhnt hat, ihrem Mann Jason und den beiden Söhnen, die der Verbindung mit Jason entstammen. Stridsberg führt die Figur der Göttin ein, sie ist Psychiaterin und Medeas innere Stimme zugleich. Medeas fiebriger krankhafter Zustand wird von dieser Instanz medizinisch nüchtern protokolliert. Die Kränkung des Verlassenseins zerfrisst Medeas Seele und treibt sie an den Abgrund.
Jason ist frisch verliebt, er hat die Barbarin gegen eine moderatere Frau aus gutem Haus getauscht und will nun die Altlast loswerden. Wenn nötig mit Unterstützung von Polizei und Zwangsjacke. Hilfe ist weder von der Göttin zu erwarten, noch von König Kreon, der die fremde Schöne begehrt, aber noch mehr fürchtet. Medea ist allein mit ihrem "zerbrochenem Herzen", das als Krankheit nicht anerkannt wird und bleibt ökonomisch von Jasons abhängig, denn alle Verbindungen zu ihrer Heimat sind gekappt. Die Kinder sind in dieser Lage alles, was ihr geblieben ist. Und sie sind das letzte Band, das sie mit Jason verbindet. Medea spürt ihre Rachegelüste anschwellen und fürchtet schon das eigene Tun, bevor die Pläne klar vor ihren Augen stehen. Sie plant, Jasons neue Frau zu töten, doch in ihrer bodenlosen Kränkung reift ein unerhörter Plan für den letzten, schrecklichen und endgültigen Befreiungsschlag.

Sara Stridsbergs Medealand stützt sich auf Euripides, rückt aber die tragische Figur in ein neues Licht, indem sie sich auf den psychischen Ausnahmezustand dieser Figur konzentriert. Aus dem klinischen Blick auf die ursprünglich unpsychologisch angelegte Figur, ergibt sich eine radikale Aktualität und verblüffende Nähe des antiken Stoffs. Aus der schillernden Zauberin ist im 21. Jahrhundert eine rechtlose, pathologisierte Asylantin geworden. Stridsberg lässt Medeas Tat nicht allein stehen. Sie reiht sie ein in die Verzweiflungstaten anderer Mütter.