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Das normale Leben oder Körper und Kampfplatz

(Det normale liv eller Krop og kampplads)
von Christian Lollike

Deutsch von Gabriele Haefs
2D, 1H

UA: 03.05.2011, Aarhus Teater, Aarhus
DSE: 27.09.2012, Staatsschauspiel, Dresden

Nicht vergessen, einen Fahrradhelm zu tragen. Nicht vergessen, Zahnseide zu benutzen. Den Sicherheitsgurt und den amtlich geprüften Kindersitz nicht vergessen. Nicht vergessen, dass Rauchen tödlich ist. Nicht vergessen, dass radikale Muslims tödlich sind. Nicht vergessen, täglich sechs Stück Obst zu essen. Nicht vergessen ...!

Drei Personen haben die Aufgabe, das Glück und die Freiheit zu feiern. Sie sollen eine Huldigung an die Lebenslust verfassen und ein Portrait ihrer selbst als radikal offene Menschen zeichnen, entdecken dabei aber zu ihrer großen Bestürzung, dass sie beobachtet werden, von Spiegeln, von Mikrofonen, von Vorschriften, von Kameras. Sie sind also gar nicht so frei und glücklich, wie sie dachten. Alles ist gefährlich und alles ist ungesund. Wer mit Vergnügen isst, wird fett. Wer bei der Arbeit träumt, riskiert, den Job zu verlieren. Dunkelhäutige Männer mit Bart können fanatische Mörder sein, also Vorsicht. Blonde Männer mit blauen Augen können fanatische Mörder sein, also Vorsicht.

Ganz klar, dass man dabei auch mal durchdreht, unter Verfolgungswahn und Alpträumen leidet. Zum Glück gibt es professionelle Hilfe: die Innere Stasi. Denn da dieser Stress allein kaum zu bewältigen ist, bekommt sie jeder als ein Kontrollorgan an die Seite gestellt, das an grundlegende Eigenschaften wie Gehorsam, Vernunft, Verantwortung und Eitelkeit appelliert und gegebenenfalls auch mal tatkräftig mitmischt, wenn nicht alles nach Plan läuft. Der Plan stammt übrigens von der Aufsicht für seelische Angelegenheiten, einer geheimen Organisation, deren Aufgabe darin besteht, die Bürger zu beschützen, damit sie einen Zustand der Normalität erreichen können, der zum Besten aller ist.

Und so erlebt jede der drei Figuren verschiedene Formen der Kontrolle, die sie davon abhalten, aus der Spur zu geraten und ihr Leben zu leben. Ihre Versuche, sich dieser Zwangssteuerung zu entziehen, haben urkomische Folgen. Christian Lollike frönt in seinem neuen Stück Das normale Leben seiner Lust, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Zwischen Meta-Fiktion und berührenden Geschichten beschreibt er die Suche nach Individualität, den Wahn um den perfekten Körper, die Angst vor dem Arbeitsdruck und bringt die Leere des postmodernen Lebens auf den Punkt: Die Hölle sind nicht die anderen, sondern wir selbst.