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Ich verschwinde

(Jeg vorsvinner)
von Arne Lygre

Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
4D, 1H

UA: 04.11.2011, Théâtre National de la Colline, Paris
DSE: 04.05.2019, Stadttheater, Konstanz

Heimat. Eine Frau sitzt in ihrem Haus und erzählt von den alltäglichen Dingen ihres Lebens. Von ihrer Verbundenheit mit diesem Ort. Noch einmal führt sie sich diese vor Augen, bevor sie vergangen sein wird, denn sie muss fort. Die Freundin kommt dazu. Gemeinsam warten die beiden Frauen auf zwei weitere Angehörige. Die Tochter der Freundin trifft ein, der Ehemann bleibt jedoch verschwunden. Am nächsten Morgen brechen die drei Frauen auf, fahren mit dem Auto, bis es nicht weiter geht, laufen zu Fuß zur Küste und sehen zu, wie andere schwimmend versuchen, die Insel zu erreichen.

Arne Lygre konfrontiert das Publikum in seinem neuen Stück mit der Kraft der unterschwelligen Ängste und mit der fundamentalen Verunsicherung, in der wir leben, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen. In einer surrealen Katastrophenlandschaft spiegeln sich die real anwesenden Spieler geradezu zwanghaft in Situationen und Schicksale Abwesender, deren Not sie sich vorstellen und sprachlich erst erschaffen. Und das, obwohl sie wissen, dass das Leid der anderen, trotz aller Empathie, in der Konsequenz nicht teilbar ist. Auf diese Weise erkunden sie die eigenen Optionen im Unglücksfall und die universellen Bedingungen ihres eigenen Glücks. Beides gehört zusammen.

In Lygres Stück sind die Figuren von den Beunruhigungen der Gegenwart dominiert. Kriegszustände, Terroranschläge, Umweltkatastrophen schweben drohend über dem Personal, ohne konkret benannt zu werden. Und obwohl im Augenblick alles gerade noch einigermaßen stimmt, wirft die Ahnung des Schrecklichen bereits ihre Schatten voraus. Die Figuren sind besessen vom Unglück, unfähig, im Hier und Jetzt einfach da zu sein. Ich verschwinde erzählt rätselhaft und hintergründig davon, dass die Menschen in einem Boot sitzen und gemeinsam unterwegs sind. Ob sie wollen oder nicht. Ein komplexes Stück über die unsichtbaren Verbindungen der Menschen im Zeitalter existentieller Erschütterungen.

„Selten sind die Autoren, die das Gefühl erwecken, etwas wirklich Neues geschaffen zu haben, die einen entscheidenden Schritt vorwärts gegangen sind auf dem Gebiet der „écriture dramatique“. Arne Lygre ist einer von ihnen.“ (Le Monde, November 2011)