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Der Schleier

(The Veil)
von Conor McPherson

Deutsch von Peter Torberg
5D, 3H

UA: 04.10.2011, National Theatre, London
frei zur DSE

Ein Landsitz in Irland. Das Anwesen der einst wohlhabenden Familie Lambroke hat schon bessere Tage gesehen. Die Räume sind heruntergekommen, die Angestellten warten seit Monaten vergeblich auf ihre ausstehenden Gehälter und die beiden Pferde sind lahm. Die nahende Hochzeit von Tochter Hannah mit dem englischen Lord Ashby scheint der einzige Hoffnungsschimmer in diesen Frühjahrstagen zu sein, denn bedroht von hohen Schulden verbringen Großmutter, Mutter und Tochter Lambroke an diesem unheilvollen Ort ein stilles, zurückgezogenes Leben. Die arrangierte Ehe soll nicht nur Geld in die Familienkasse der Lambrokes spülen, sondern auch Hannah von dem Ort fortbringen, an dem sie immer wieder Stimmen hört. Stimmen aus dem Jenseits, als wäre der Vater, der sich in ihren Kindertagen dort erhängt hat, in den Mauern des Anwesens gefangen.

Mit der Ankunft von Pfarrer Berkeley und seinem Begleiter Audelle, die Hannah nach England begleiten sollen, beginnt sich der Schleier, der über dem Anwesen liegt, nach und nach zu lichten. Getrieben von Neugier und Sensationslust sind die beiden vor allem mit einem Ziel gekommen: die Schatten, die in dem Haus wohnen, dazu zu bringen, sich zu zeigen. Derweil versucht Mutter Madeleine, die Hochzeit als Ziel fest im Blick, mit Beherrschung und Entschlossenheit, alle Unwegsamkeiten konsequent beiseite zu schaffen. Doch auch die feingeistige und kluge Hannah ist der Wahrheit auf der Spur und versucht beharrlich, Unausgesprochenes an die Oberfläche zu bringen, bis es schließlich zum folgenreichen Showdown kommt.

Conor McPherson hat mit Der Schleier ein vielschichtiges Stück geschaffen, dessen filigrane Figuren mit ihren Geschichten das düstere Anwesen fein durchweben. Unter dem Deckmantel der bürgerlichen Konversation werden Abgründe zu Tage gefördert und wieder zum Verschwinden gebracht. In sprachlich eindrucksvollen Szenen zwischen Suspense und Dark Comedy zeigt der Autor ein durch persönliche Schicksalsschläge wie auch ökonomische Krise ins Wanken geratenes Familiengefüge und greift dabei heute aktuelle Themen wie die Kluft zwischen arm und reich, Konflikte zwischen Stadt und Land sowie den Verlust von Macht und Ansehen auf. Als "eindringliche Mischung aus alter Mystik und modernen Dilemmata" bezeichnete The Times das Stück anlässlich der Uraufführung am National Theatre, und der Evening Standard sah in McPhersons Stück "atmosphärisch und eindringlich die Geschichte verlorener Seelen" erzählt.