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Lenz Ewiger Durst

von Anja Hilling

mind. 5 Darsteller

UA: 2017, Dramaten, Stockholm
frei zur DSE

Georg Büchners "Lenz" beschreibt eine Fluchtbewegung, und auf der Flucht hat er sie verfasst. Bei Büchner wie bei Lenz zuerst ein politischer und geistiger Ausbruchsversuch, und dies in einer wahnsinnigen Isolation; beide erleben dann das Scheitern dieses Versuchs, den Abprall ihrer Utopien an den steinernen Verhältnissen, Flucht. Den Prozess einer inneren Versteinerung und Vereisung, den eine so radikale Zurückweisung durch die Wirklichkeit in Gang setzt und den der historische Lenz wehrlos erlitt, hat Büchner mit seiner "Lenz"-Erzählung evoziert. "Die Welt, die er hatte nutzen wollen, hatte einen ungeheuren Riss; er hatte keinen Hass, keine Liebe, keine Hoffnung - eine schreckliche Leere, und doch eine folternde Unruhe, sie auszufüllen. Er hatte nichts." (Peter Schneider, Die Zeit, 1979)

Anja Hillings Stück nimmt Büchners Lenzfigur als Grundlage für die Darstellung eines Poeten, der hier und heute scheitert, in der Kunst wie im Leben - ein Stationentrip von der Stadt durch die Natur in die Erlösung. Dabei ist der Wahnsinn nichts anderes als eine Position zwischen zwei unvereinbaren Sehnsüchten: Gesellschaft und Einsamkeit. Das heißt: Höhepunkte, Augenblicke, Sex, Nähe, Haut, Grenzen, Hoffnung, Enttäuschung, Erfolg. Oder: keine Nähe, keine Grenzen, keine Höhepunkte, keine Erleichterung, kein Hoffen, kein Erfolg. Die Anziehung beider Seiten zieht einen Riss durch den Künstler, der ihn im Laufe des Stücks vom Absturz in die Uferlosigkeit und die totale Auflösung treiben wird. Am Ende seiner Flucht kapituliert Lenz vor der Entgrenzung, die er gerufen hat. Der Dichter fleht, zurückzukehren, zurück in die Grenzen, die er überwinden wollte.

Fünf radikale Akte, jeder eigen in Sprache und Form - ein eigenwilliger und herausfordernder Text, eine atemlose Suche nach der Auflösung des Widerspruchs der menschlichen Existenz, die an der Sehnsucht nach einer Gesellschaft scheitert, die sie zerstört.