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Leichenschmaus

(Minnesstund)
von Alejandro Leiva Wenger

Deutsch von Jana Hallberg
3D, 3H

UA: 19.02.2016, Stadsteatern, Stockholm
frei zur DSE
Internationaler Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2023

Es klingelt. Minna steht vor Jons Tür. Sie berichtet vom tragischen Tod ihres Sohnes Sackarias, mit dem Jon so gut befreundet war, damals, in der Schule. Sie möchte unbedingt, dass Jon zur Trauerfeier kommt, denn er war doch der engste Freund. Es gibt nur ein Problem: Jon kennt Sackarias nicht. Aber das verschweigt er. Er sagt zu. Und beginnt, in seinen Erinnerungen nach diesem Sackarias zu graben. Sackarias’ Schwester Lethe hat dagegen sehr klare Bilder von der gemeinsamen Zeit mit ihrem geliebten Bruder. Aber: Dieses eine traumatische Erlebnis, das Lethes Leben bis heute prägt, hat so angeblich nie stattgefunden. Bei Sackarias’ Beerdigungsfeier spitzt sich das Verwirrspiel zu. Im kleinen familiären Kreis wird die Rekonstruktion der Vergangenheit zum tragikomischen Kampf um Wahrheit, Liebe und einstmalige Gewissheiten. Und mittendrin sitzt Jon, der sich mehr und mehr einfühlt in die Rolle des vermeintlich besten Freundes des Verstorbenen.

Können wir unseren Erinnerungen vertrauen? Bei diesem Leichenschmaus erinnern Familie und Freunde aneinander vorbei. Momente einer mutmaßlich gemeinsamen Vergangenheit blitzen gespenstergleich auf und verflüchtigen sich bei näherem Hinsehen. Selbst auf materielle Zeugnisse wie Briefe ist kein Verlass. Dabei suchen sie im Erinnern nach nichts geringerem als einem übergreifenden Sinn, nach Schicksal und Identität. Auf Sackarias' Trauerfeier wird nicht nur dem Toten gedacht, sondern das Andenken an sich in Frage gestellt. Die Grenze zwischen Glauben und Wissen wird diffus: Was hat Bestand, wenn wir uns der Bilder unserer Vergangenheit nicht sicher sein können?