(... Touched ...)
von Ursula Rani Sarma
Deutsch von Anna Opel
1D, 3H
UA: August 1999, Hillstreet Theatre, Edinburgh
DSE: 06.11.2005, Thalia Theater, Hamburg
Dublin in der Silvesternacht 1999. Die Geschwister Cora und Mikey sind
auf der Flucht: vor der Polizei, vor der Vergangenheit, vor ihrer
Erinnerung. Versteckt in einem Unterschlupf, den ihnen der Straßenjunge
Macca gewährt, beginnen die beiden, ihre Geschichte zu erzählen.
Nach dem Tod ihrer Mutter wachsen die Kinder bei Onkel Dan und Tante
Mary auf dem Lande auf. Die beiden führen einen Pub und kümmern sich
mehr um die Geschäfte als die Erziehung der Kinder. Lebendig begraben
im tristen Landleben, beschließen Cora und Mikey zu verschwinden. Ziel
der inzwischen Herangewachsenen ist Dublin, der Inbegriff ihrer
Sehnsucht nach einer anderen Wirklichkeit. Doch die ländliche
Eintönigkeit ist nicht der einzige Grund ihrer überstürzten Abreise –
vor allem Cora hat ein Geheimnis, das sie seit ihrem zehnten Geburtstag
mit sich herumträgt, als der schmierige Doktor Cloughasy das Mädchen zu
einem Himbeereis am Strand einlädt.
Als sie endlich die Großstadt erreichen und damit das erhoffte Leben
ohne Geheimnisse, ohne Dunkelheit, ohne Verzweiflung, entpuppt sich die
Realität von Dublin als weit entfernt vom Ort ihrer Träume.
Durchgebrannt zeichnet den verzweifelten Weg zweier Teenager aus
einer trostlosen Situation, der schließlich in die Kriminalität führt.
Die Erzähltechnik ist dabei raffiniert und packend. Die Vorgeschichte
der Kinder wird in Rückblenden aus den verschiedenen Perspektiven der
Geschwister mit unterschiedlichen Akzenten erzählt. Dabei geht die
Autorin subtil vor, lässt vieles im Dunkeln und macht aus der
albtraumhaften Irrfahrt der beiden ein spannendes psychologisches
Drama, bei dem jede ihrer Figuren schrittweise ihre Unschuld verliert.
Was an szenischer aktueller Handlung ausgespart ist, wird durch die
unterschiedlichen Sprachlichkeiten und Töne der Figuren und die
verschiedenen zeitlichen Ebenen der Erzählung kompensiert. Ursula Rani
Sarma nutzt die Imaginationskraft der Sprache, um das Gesetz der
Einheit von Ort, Zeit und Raum mühelos außer Kraft zu setzen. Allein
durch simple szenische Mittel gelingt es, die ganze Geschichte,
ausgehend von einer einzigen Situation, entlang der inneren Logik der
Figuren und deren Erinnerung zu erzählen.
Durchgebrannt ist das erste Stück der jungen irischen Autorin,
das 1999 auf dem Edinburgh Fringe Festival uraufgeführt und von Kritik
und Publikum enthusiastisch aufgenommen wurde. Ihr zweites Stück Blau
wurde 2004 mit dem Publikumspreis des Heidelberger Stückemarkts
ausgezeichnet und war seitdem in verschiedenen Inszenierungen u. a. am
Theater an der Sihl in Zürich, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg
und am Heidelberger Theater zu sehen.
Die Erstaufführungsinszenierung von Durchgebrannt vom Thalia Theater Hamburg wurde mit dem Bensheimer Theaterpreis 2006 ausgezeichnet.