von Anja Hilling
2D, 4H
UA: 03.03.2005, Theaterhaus, Jena
Alles war so gut geplant – das Brötchen um viertel
nach zwölf, das durchgeschnittene Telefonkabel,
das rote Kleid. Frau Schlüter will eigentlich gerade
Selbstmord begehen, als der Postbote bei ihr klingelt.
Ein Paket will er abgeben, für Nachbar Sandmann
aus dem Dritten, der gerade nicht da ist. Dabei
hatte sie nur noch auf den Fruchtsaft- Lieferanten
Miroslav gewartet, weil er der Letzte sein sollte, der
letzte Gedanke. Als schließlich auch noch der Abfluss
kaputtgeht und Hausmeister Zarter im Blaumann
bei ihr aufkreuzt, ist es vorbei mit dem schönen
Plan vom Abschiednehmen.
Postbote Ludger Hase hatte sich das auch anders
vorgestellt – Päckchen weg, Feierabend, Skatrunde
bei den Kumpeln und irgendwann nach Hause zu
Hanna mit den vielen Puzzles an der Wand. Aber
erst muss er dieses Paket loswerden, ein Blindgänger
aus Australien, mit Kängurus drauf. Sandmann,
der Absender, ist nicht da, und als er schon fast wieder
gehen will, öffnet sich die Nachbartür und da
steht sie, mit Mülltüte in der Hand und Stöpseln im
Ohr, und Ludgers Herz schlägt wie ein Stones Konzert.
Aber Paula Lachmär, die Frau mit der Stille im
Kopf, lebt in einem anderen Film. Ihre Welt ist klein
geworden, seit Alfred aus dem Seitenflügel bei ihr
war und sich geholt hat, was er wollte. Ihre Welt ist
nur so groß wie der Weg zwischen Gulaschsuppe
und Mülltonne. Der Rest ist Schweigen. Denkt sie,
hofft sie, bis ihr Miroslav begegnet auf der Treppe
zwischen Herd und Hof, mit Zuckerschnecken zum
Nachtisch.
Anja Hillings Figuren schweben lebensmüde, schräg
und selbstironisch durch das Leben.
Die junge Berliner Autorin zeigt in ihrem Stück Momentaufnahmen
des alltäglichen Wahnsinns – traurig,
ernüchternd, komisch: eben ganz normal.
"Anja Hilling kann schreiben, wie Menschen sprechen.
Und sie hat, was selten ist, Humor."
(Süddeutsche Zeitung, 22.11.2004)