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Drei Sterne über dem Baldachin

von Michael Zochow
Komödie in fünf Szenen

4D, 4H

UA: 01.12.1991, Deutsches Schauspielhaus, Hamburg

Die alte Berta ist eine gute Seele, und als ihre frühere, jüdische Herrschaft, die Grünfelds, aus Amerika zu Besuch ist, kann sie sich nicht lassen vor Freude und Rührung. Das Rad der Zeit scheint zurückgedreht, Berta fühlt sich in ihre Jugend zurückversetzt, Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen ineinander.

So kommt es, dass Berta den von der Polizei verfolgten, palästinensischen Terroristen Hassan für ihren im KZ ermordenten, jüdischen Verlobten Fritz, den Polizisten für einen Gauleiter hält. Sie versteckt den gejagten Hassan/Fritz - noch einmal will sie ihn nicht verlieren - und die Familie Grünfeld ist ihr dabei behilflich. Im Verlauf der Handlung verwirren sich Bertags verrückte Realitätswahrnehmungen und die tatsächlichen Ereignisse mehr und mehr. In einer Folge absurder und grotesker Szenen treten immer mehr Wahrheiten über die Vergangenheit zu Tage und werfen ihr Licht auf die Gegenwart. Vermeintlich Vergessenes erweist sich als nur Verschüttetes. Die scheinbar wirre Berta wird zum Katalysator, der Reaktionen hervorruft und angeblich Ungmögliches möglich macht. Ihr Eintauchen in die Vergangenheit bringt die Gegenwart in Bewegung, verhärtete Fronten werden aufgebrochen und ihre Naivität und ihr Glaube bringen für unverrückbar gehaltene Ansichten und Wahrheiten ins Wanken.

Am Ende reichen Feinde einander die Hand und die Utopie scheint Wirklichkeit werden zu können. Mit leichter Hand, ohne moralischen Zeigefinger, entwirft Zochow ein ungemein witziges und zugleich anrührendes und verwirrendes Szenario angesiedelt zwischen Groteske und surrealem Traumspiel.

[...] Mit noch ausgeklügelt leichterer Hand als bisher hat der Autor eine weitere unmögliche Liebesgeschichte als zwischen „Kleinbürgerwahnsinn und Tausend und einer Nacht“ abrollende Komödie in Drei Sterne über dem Baldachin arrangiert: die backstage comedy einer Bayreuther „Tristan“-Vorstellung, in der das Unmögliche, die Aussöhnung von Vergangenheit und Gegenwart, in der Verschmelzung von jüdischem Wiedergänger und arabischem Todeskommandofanatiker erdacht und unsentimental auf unerwartet ver-rückte Weise herbeigezaubert wird. (Klaus Völker, Der Tagesspiegel 30.11.91)